Ostpreussen2007
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Zu Hause bei Oma

 

(für meine  Oma Traute Emma Gill, geb. Göritz)

 

Sie hat immer wieder

davon geschwärmt

all die Jahrzehnte.

Sie kannte viele Lieder

die haben ihr das Herz erwärmt

so dass sie sich nur

noch mehr sehnte.

 

 

Jetzt habe auch ich

es gesehen

denn ich war da

und kann sie nur

zu gut verstehen

bei dem was ich

dort alles sah

 

 

Das Land der dunklen Wälder

hat unendlich weite Felder

und die kristallenen Seen

über die die leichten

Brisen weh´n

Alleen soweit das Auge reicht

Ein Storch von  unendlich vielen

der nicht zur Seite weicht

Eine  Elchkuh

die  aus dem Walde schaut

Ein Reh mit Jungen dazu

das blitzschnell über das Kornfeld abhaut

Die vielen Pferde

ihr Haar weht im Schritt

 

 

Oh Heimaterde

Dich nehm´ ich ihr mit ....

 

 

.... nach meiner ersten Ostpreußen-Reise  zusammen mit meinem Vater im Juli 2007

 

Anschließend folgt nun mein Reisebericht unserer Rundreise:

 

 

Reisebericht über die

10-tägige Rundreise in die Elchniederung, nach Tilsit-Ragnit und Masuren

vom 5. Juli 2007 – 14. Juli 2007

 

Mittwoch, den 4. Juli 2007

 

Meine rote Reisetasche platzt bald, aber ich brauche die Sachen alle für unser großes „Abenteuer Ostpreußen“. Ich bin bestens ausgerüstet für unser Vorhaben und habe extra meine alten Klamotten eingepackt, weil wir bestimmt durch Gestrüpp streifen werden müssen oder gar durch Matsch waten. Nach einem gemeinsamen Mittagessen bei meinen Eltern brechen mein Vater und ich dann auch am frühen Nachmittag Richtung Hannover auf und am Abend erreichen wir das Hotel „Zur Post“ in Hannover und gehen anschließend im direkt angrenzenden Restaurant essen. Danach folgen etliche Versuche des Einschlafens, da es gleich mehrere neue Situationen gibt: Zum einen war ich noch nie so lange mit meinem Vater alleine unterwegs und zum anderen liegen aufregende und ergreifende Tage im ehemaligen Ostpreußen vor uns.

 

Donnerstag, den 5. Juli 2007

 

Weckerklingeln ist um halb sechs. Ich habe ziemlich schlecht geschlafen – eigentlich gar nicht. Nach dem Frühstück fahren wir gegen halb sieben zum Bushof der Firma Grund Touristik in Lehrte, wo sich die meisten Reiseteilnehmer einfinden. Bereits jetzt fällt mir auf, dass die Mitreisenden alle gar nicht so alt sind wie ich es erwartet hatte. Je älter die Leute, desto mehr können sie ja bekanntlich von damals erzählen. Gegen halb neun ist dann Abfahrt des Reisebusses mit 26 Personen plus Platz in den hinteren Sitzreihen für jede Menge Kisten mit Hilfsgütern, die Peter Westphal, unser Reiseleiter, organisiert hat. Auf der Fahrt bekommen wir alle unsere mehrere Wochen zuvor eingeschickten Reisepässe – mit Visa! – ausgehändigt. Kurz vor zehn legen wir einen Zwischenstopp in Magdeburg ein und kurz vor zwölf erfolgt ein weiterer Stopp in Berlin-Schönefeld, wo der Zustieg weiterer Mitreisenden erfolgt. Dort nutzen wir dann auch gleich die Zeit für eine Pipipause auf einer ehemaligen typischen „Ostbahnhofstoilette“. Da wird einem gleich ganz anders. Um kurz nach zwölf erfolgt die Weiterfahrt Richtung polnische Grenze. Um kurz nach zwei mittags erreichen wir die polnische Grenze bei Pomellen. Dort „besuchen“ uns dann auch gleich zwei Uniformierte, die durch den Bus gehen und sich unsere schönen Reisepässe zeigen lassen. Wir tauschen ein wenig Geld um und kurz danach – nachdem wir bereits etwa 19 km hinter der polnischen Grenze sind, fällt einem Mitreisenden von uns auf, dass sein Portemonnaie mit viel Geld und allen Papieren nicht mehr da ist….. kurzerhand müssen wir umkehren und fahren noch mal zur polnischen Grenze, weil es uns da besonders gut gefallen hat (J). Dort bekommt er auch tatsächlich alles vollständig wieder! Der uniformierte Beamte von vorhin winkt uns diesmal richtig freundlich durch…. Gegen halb acht abends sind wir in Stolp und haben noch ca. 113 km bis zu unserem ersten Tagesziel vor uns. Langsam wird es dunkler draußen und es regnet ohne Ende in einem durch. Wir hoffen, dass das nur im hiesigen Kaschuben-Landso ist und starren vom Bus aus ganz überrascht und entsetzt zugleich auf ein sage und schreibe 800 m (!) langes Haus mit    

drei eigenen Bushaltestellen. Um kurz nach 22 Uhr kommen wir dann endlich am Orbis-Hotel „Gdynia“ in Gdingen an und befinden uns nahe der Weichselmündung in die Ostsee. Wir sind erstaunt, dass uns so spät noch ein warmes Abendbuffet erwartet und fallen anschließend in ganz weiche Matratzen…

 

Freitag, den 6. Juli 2007

 

Der Wecker klingelt gnadenlos um halb sieben, was eigentlich noch recht spät ist, wie wir noch sehen werden. Wir fallen über das Frühstücksbuffet her und um kurz nach acht heißt es Koffer verladen. Mit der Begleitung einer polnischen Führerin geht es zur Dreistadt Gdingen, Zoppot und Danzig. Wir bekommen eine örtliche Führung und sehen die schön restaurierte Altstadt. Wir sehen die Danziger Bucht und den Hafen. Wieder regnet es ohne Ende. Aber selbst bei schönem Wetter wäre die Westernplatte, an der der 2. Weltkrieg damals begann, nicht schöner gewesen. Da steht man nun und alles sieht so ruhig aus; man kann es sich kaum noch vorstellen, was damals dort vorgegangen sein muß, als die ersten Schüsse fielen. Weiter geht unsere geführte Besichtigung durch Danzig. Um kurz nach Mittag fahren wir weiter über Elbing, Marienburgund Frauenburgnach Königsberg und dort über die russische Grenze, die wir noch lieben lernen werden. Vorab jedoch überqueren wir die Weichsel. Wir erreichen um kurz vor 14 Uhr endlich ehemals ostpreußisches Gebiet um Elbing, das heute zu Polen gehört. Um halb drei nachmittags halten wir an der ersten schönen Sehenswürdigkeit, die mir sogleich ein Willkommens-Gefühl gibt: Eine 1.000-jährige Eiche in Kadynen in der Nähe des Frischen Haffs. Allein zu wissen, dass hinter uns das Haff ist, über das meine Oma damals mit meinem Vater als Säugling flüchten musste, flößt mir schon eine leichte Gänsehaut ein und ich kann nicht genau beschreiben, wie ich mich fühle. Aus weiter Ferne machen wir Fotos vom Frischen Haff, obwohl es leider ziemlich diesig ist und anschließend fahren wir mit dem Bus weiter. Wenn unsere Daheimgebliebenen zu Hause in Ruhe Kaffee trinken und Kuchen essen, steht unser Reisebus nun um 16 Uhr vor der russischen Grenze und „schmort“. Erst um halb sechs abends haben wir es endlich über die Grenze geschafft – nach russischer Zeit sind es nun allerdings halb sieben abends und wenn sich morgen früh beim Frühstück niemand von uns blamieren will, sollte er seine Uhr danach umstellen. Wir fahren weiter nach Groß Baum zu unserem nächsten Hotel über Heiligenbeil, Bladiau(dort steht ein Gedenkstein für die Gefallenen des Krieges), Ludwigsort, die Siedlung Stirnau, Zinthen, Brandenburg (ja,das gibt es da auch). Wir sehen die Frischungsflussmündung ins Frische Haff und umfahren Königsberg gegen kurz nach sieben abends. Eigentlich sieht unser Programm zumindest die Durchfahrt von Königsberg vor, doch wir haben ja leider zu viel Zeit an der russischen Grenze verloren und wollen die Besichtigung von Königsberg an einem anderen Tag nachholen. Weiter geht’s nach Ponarth und wir sehen die ehemals intakte Berliner Brücke, dessen gesprengte Einzelteile nun rechts und links ziemlich makaber voneinander in aufgerichteter Position aufgestellt wurden. Wir fahren über den Pregel, Richtung Labiau,

 Neudamm, einem Vorort von Königsberg, Neuhausen nach Groß Baum zum Hotel „Forsthaus“.

 

Samstag, den 7.7.2007

 

Nach der ersten Übernachtung in Gross Baum – wir schlafen im Haus Ostpreussen, im Forsthaus selbst essen wir immer – klingelt um halb sieben der Wecker, halb acht gibt es Frühstück im Forsthaus nebenan. Gegen halb neun fahren wir Richtung Tilsitdurch den sogenannten Elchwald des Kreises Labiau. Wir durchfahren Liebenfelde/Melauken. Dort steht die alte weiße Molkerei noch und wird auch als solche genutzt. Unterwegs sehen wir das Zuchthaus, die 1846 erbaute Kirche, ein rot-weißes Herrenhaus. Wir befinden uns in Kreuzingen/Großskaisgirren im Kreis Elchniederung und sehen ein russisches Ehrenmahl. Links von uns liegt Großfriedrichsdorfund weiter geradeaus geht die Straße ca. 35 km weiter nach Insterburg. Wir sehen ein oranges Haus, in dem einmal die Volksbank war. Weiter rechts geht es nach Schillen.Der Ort Kreuzingen tauchte erstmals 1583 auf. Wir sehen einen ehemals großen Viehmarktbahnhof. Wir erreichen Polesk/Labiau/Kreis Elchniederung und sehen mal wieder eine Grenze. Gegen halb zehn morgens fahren wir in den Kreis Tilsit-Ragnit ein. Die alte Kirche in Neu-Argeniten steht noch. Kurz darauf setzt sich ein Mitreisender für einen halben Tag von unserer Reisegruppe ab und geht an einer einsamen Kreuzung nur mit einem kleinen Beutel bepackt seines Weges. Jeder Teilnehmer dieser Reise hat so seine eigenen Ziele, die er während der Rundreise durch das ehemalige Ostpreußen erreichen will und es ist nicht immer leicht, als Gruppe allen gerecht zu werden. Wir sind gespannt, wann und wo wir unseren Landsmann wieder sehen werden. Die Stadt Tilsit liegt gegen 10 Uhr morgens vor uns. Das ist die Stadt, von der meine Oma immer im Zusammenhang mit der Königin-Luisen-Brücke und dem Grenzlandtheater erzählt hat… Wir sehen die Franksche Villa und das Hohe Tor mit der Hohe Straße und ich denke mir, guck an, die Hohe Straße haben wir in Köln auch. Aber Köln und das eigene Zuhause im Bergischen Land ist von hier aus nicht nur entfernungsmäßig ganz weit weg, sondern man fühlt sich in Ostpreußen in eine andere Zeit versetzt. Es gibt immer wieder Situationen und Umgebungen, in denen ich mich meinen Großeltern, speziell aber meine Oma, besonders nah fühle. Um 13 Uhr machen wir dann genau vor „Omas Grenzland-theater“ Mittagspause…. Wir waren direkt am Memelufer und haben die Luisenbrücke gesehen – besser gesagt, das was man aus ihr gemacht hat – aber auch viele alte, teilweise sehr verfallene Häuser.

 

Zwei alte leerstehende Villen direkt am Memelufer haben ein ganz besonderes Flair. Wir sehen uns noch die Feierlichkeiten zum 200-jährigen Jubiläum des Tilsiter Friedens und den damit verbundenen Festumzug in der Stadt an sowie die dort wieder aufgestellte Elch-Statue und um kurz nach halb vier nachmittags ist dann Abfahrt und es geht wieder durch die gleichen Dörfer zurück zum Forsthaus nach Groß Baum, wo wir auch unsere zweite Nacht verbringen werden. Wir nehmen unser Abendessen um 19 Uhr ein und besprechen anschließend unsere bevorstehenden und lang ersehnten Taxi-Sondertouren für Dienstag. Ich kann bereits keinen anderen Gedanken mehr fassen als den, in drei Tagen endlich in den Orten sein zu können, in denen meine Großeltern bis zur Vertreibung lebten. Wir sitzen an dem Abend noch eine Weile gemütlich bei Gesang (altbekannte ostpreußische Lieder) zusammen und fallen dann gegen viertel nach zehn abends müde in die Betten. Unser „Wandersmann“, der sich heute morgen an einer Kreuzung hat absetzen lassen, ist auch wieder wohlbehalten und zufrieden bei uns eingetroffen.

 

Sonntag, den 8.7.2007

 

Es ist sechs Uhr und der Wecker ist gnadenlos aber das Frühstück um sieben Uhr wartet nicht auf uns und der Bus um acht Uhr erst recht nicht. Aber wir sind ja nicht zum Ausspannen hier, sondern um viel zu sehen und möglichst viele Eindrücke aus dieser schönen alten Gegend mitnehmen zu können. Heute sehen wir die schöne Elchniederung. Um kurz nach neun Uhr erreichen wir Heinrichswalde mit seiner Kirche; dort liefern wir den ersten Teil unserer Spenden von Herrn Westphal nebst Sachspenden einiger Mitreisender und gesammelte 300 EURO aus dem Bus ab. Ein paar Rauterskircher warten schon lange im Regen sehnsüchtig auf unseren Bus. Waldemar, ein Kasachstan-Deutscher und Journalist, steigt zu uns in den Bus und begleitet uns. Er hat vor, einen Artikel über uns zu verfassen. Wir erreichen Brittanien bei Neukirch und den dortigen ehemaligen Viehverladebahnhof und sehen eine Molkerei. Neukirchs Kirche ist leider nur noch eine Ruine. Die Weiterfahrt erfolgt Richtung Seckenburg nach Rauterskirch.

Dort ist unter anderem ein Gedankenaustausch mit den ortsansässigen Russen angedacht. Wir halten eine Andacht mit dem örtlichen Pfarrer in der Ruine der Kirche Rauterskirch und leider regnet es auch schon wieder, was aber

keinesfalls die Atmosphäre dieser Andacht stören kann – erst recht nicht als wir gemeinsam in das Lied „Land der dunklen Wälder...“ einstimmen. In dem Moment überkommt es mich zum ersten mal und ich kann erstmal nicht weiter mitsingen…. Anschließend kommen wir zu einem Beisammensein in der örtlichen Krankenstation zusammen, wo schon die Schwestern und der Bürgermeister auf uns und den Pfarrer mit Kaffee, Kuchen, Wein, Wodka, belegten Brötchen, Keksen und vielem mehr auf uns warten. Ein Teil der örtlichen russischen Bevölkerung nimmt auch an der Runde teil und alles schnattert laut auf Deutsch und Russisch durcheinander. Die Dolmetscher haben jede Menge mit uns zu tun. Leider ist die Zeit etwas knapp und wir müssen die nette herzliche Runde gegen Mittag viel zu schnell wieder auflösen und zum Bus zurückkehren, weil die Weiterfahrt nach Seckenburg, Tilsit undRagnit ansteht. Eine solche Herzlichkeit, wie wir dort erfahren durften, erlebt man leider bei uns zu Hause nur ganz ganz selten. Um kurz vor ein Uhr mittags kommen wir in Seckenburg an der Gilge an und sehen, dass die dortige Kirche noch steht. Um 20 Uhr sind wir in Neukirch, sehen dort die Kirche und ein Haus mit der ehemals deutschen Aufschrift „Carl Pudlas“ (siehe Foto). Es scheint einmal ein deutsches Geschäft gewesen zu sein. Viele Mitreisende rennen auf die Straße, um die Schrift zu fotografieren. Wir fahren durch Brittanien und Heinrichswalde auf dem Weg nach Tilsit über Limkuhnen, Alt-Weinoten,Tomaten und sehen einen deutsch/russischen Soldatenfriedhof und den Splitterer Mühlenteich.In derStolberger Straße steht die Zellstofffabrik aber die Kasernen verfallen zusehends. Wir sehen den Bahnhof in Tilsit und noch einmal das Grenzlandtheater, das 1899 erbaut wurde. Wir sehen den Fletscherplatz, das Hotel „Deutsches Haus“, den Schloßmühlenteich. Wir überqueren die Memel und fahren nach Ragnit, ein weiterer aufregender Ort für uns – speziell für meinen Vater, der im August 1944 auf der Flucht im Ragniter Kreiskrankenhaus zur Welt kam. Ich habe zuvor unsere Reiseleiter gebeten, in Ragnit kurz vor dem Kreiskrankenhaus in der ehemaligen Tilsiter Str. 9 anzuhalten für ein schnelles Foto. Um 15 Uhr ist es dann soweit: Wir halten genau vor dem Kreiskrankenhaus Ragnit. Mein Vater und ich steigen aus und als wir plötzlich vor dem großen, alten aber immer noch sehr schönen Gebäude stehen, können wir es gar nicht fassen. Es ist nicht nur für meinen Vater ein besonderer Moment. Hier hat meine Oma vor fast 63 Jahren unter ganz schwierigen und gefährlichen Umständen ein Kind zur Welt gebracht und musste danach direkt weiterziehen. Während ich noch so vor dem Krankenhaus stehe, sehe ich plötzlich, wie eine Mitreisende aus unserer Gruppe regelrecht in das Krankenhaus hineinstürmt und im ersten Moment weiß ich gar nicht was ich tun soll, doch dann folge ich ihr kurzerhand und trete in die Eingangshalle des Krankenhauses. Die große Tür fällt langsam und knarrend ins Schloß. Alles ist nur spärlich beleuchtet und ich sehe mich in den an den Flur angrenzenden Räumen um. Dort stehen uralte Behandlungsstühle und ich fühle mich in die Vergangenheit zurückversetzt. Es ist keine Menschenseele zu sehen; auch nicht als ich immer wieder laut „Hallo?“ rufe. Zusammen mit der Mitreisenden, die dringend zur Toilette muss, wie sich herausstellt, laufe ich das Treppenhaus hoch in die erste Etage. Wir gehen links in den langen angrenzenden Gang und sehen wiederum links in einem Behandlungsraum eine Krankenschwester am offenen Fenster stehen und hinausgucken. Von hinten sieht sie mit ihren viel zu kurzen rosa Kniestrümpfen und dem weißen Häubchen aus, wie in einem Film aus der Kriegszeit. Wir müssen die Frau mehrmals ansprechen, bis sie sich endlich umdreht und versteht, was wir wollen. Sie nickt nur, verzieht jedoch keine Miene und holt einen Schlüssel. Wir folgen ihr bis zur Toilette, die sie extra für uns aufschließt. Dafür müssen wir allerdings den Flur weitergehen und können rechts und links in die „Patientenzimmer“ sehen…. Eingepfercht in viel zu viele Betten für die Raumgrößen liegen dort überwiegend alte Frauen mit Kopftüchern und geben ebenfalls keinen Ton von sich. Sie scheinen uns gar nicht wahrzunehmen. Ich habe gelesen, dass das Kreiskrankenhaus auch mal ein Siechenhaus gewesen war und bin in dem Augenblick der Überzeugung, dass dies auch immer noch so ist… Nachdem wir die „abenteuerliche“ Toilette besucht haben, wollen wir der Krankenschwester, die uns die Tür aufgeschlossen hat, zum Dank ein paar Euro geben, doch sie ist nirgends aufzufinden. Wir rufen wieder nach ihr und eine andere Schwester versteht, was wir wollen und holt „unsere“ Schwester. Wir drücken ihr 10 Euro in die Hand und ihr war das sichtlich unangenehm. Danach laufen wir völlig überwältigt von den Eindrücken schnell wieder zum Bus, der schon auf uns wartet. Meine sentimentale Phase ist mal wieder Schuld, dass mich viele im Bus ganz verwundert ansehen, aber so ist das nun mal manchmal mit mir. Der Bus kann nun endlich weiterfahren und ich erzähle meinem Vater von unseren Erlebnissen im Krankenhaus. Mein Vater war jedoch ebenfalls in das Krankenhaus hineingegangen und dort auf einen Hausmeister getroffen dem er mit Händen und Füßen erklärt hat, dass er damals hier zur Welt gekommen war. Daraufhin nickte der Hausmeister und wies ihm den Weg nach oben; er könne sich alles anschauen. Wahnsinn! So langsam beruhigten wir uns dann wieder und besichtigen die Ordensburgruine von Ragnit. Wir nehmen die Fahrstrecke von Ragnit über Gumbinnenbis Breitenstein Richtung Hohensalzburg (Lengwethen). Um kurz vor vier Uhr nachmittags erreichen wir Breitenstein und unsere Reiseleiter bietet uns spontan einen Besuch im Museum an, von dem ich schon zu Hause sehr viel gehört hatte – besonders von Juri Userzov, dem Direktor der Schule, in dem sich das Museum befindet. Wir erfahren auch, dass Juri ein regelrechtes Archiv angelegt hat, in dem man durch Stöbern so manche Stecknadel im Heuhaufen finden kann und ich ärgere mich ein bisschen, dass ich mich darauf nicht besser habe vorbereiten können. Meine Unterlagen liegen im Hotel. Wir bleiben bis kurz vor 18 Uhr bei Juri im Museum und haben glaube ich sein ganzes Archiv verwüstet. Man stelle sich einen Reisebus von ca. 26 Personen vor, die eine Stunde Zeit haben, im Archiv nach Angaben zu Ihren Vorfahren zu suchen…. Aber Juri war frohen Mutes und total in seinem Element, wenn er jemandem von uns etwas für seine Unterlagen kopieren oder sonst irgendeine Auskunft geben konnte. Es war richtig klasse bei ihm im Museum! Kann ich nur jedem weiterempfehlen, wenn er in der Nähe ist! Auf jeden Fall werde ich Juri schreiben. Dadurch, dass er extra noch mal in unseren Bus gekommen ist, um sich von uns zu verabschieden, kann ich ihm wenigstens noch eine Tabelle mit den Namen und Orten meiner Vorfahren in die Hand drücken, nach denen er in seinem Archiv suchen will, wie er sagt. Auf der Weiterfahrt nach dem Museumsbesuch sehen wir Schillen mit seiner Kirchenruine und fahren weiter nach Königskirch durch eine wunderschöne Allee. Von diesen gibt es in Ostpreußen wirklich viele schöne – meine Oma hat nicht übertrieben, wenn sie damals davon schwärmte. In Königskirch/Jurgeitschen sehen wir eine Kirchenruine und fahren durch Kreuzingen, Liebenfelde nach Groß Baum, wo wir auch unsere dritte Nacht verbringen. In Liebenfelde sehen wir die Kirche ebenfalls nur noch als Ruine. Um 19 Uhr abends erreichen wir wieder Groß Baum und freuen uns auf das gemeinsame Abendessen. Anschließend erleben wir einen tollen russischen Folklore-Abend und mein Vater wird zum Mittanzen aufgefordert und ich zum Mitmusizieren und -tanzen. Übrigens ist das der erste Abend ganz ohne Regen. Ich kaufe leckeren russischen Lebkuchen aus Kaliningrad und ineinandersteckbare Babuschkas.

 

Montag, den 9.7.2007:

 

Der Wecker ist gegen halb sieben Uhr morgens erbarmungslos, aber immerhin haben wir Sonne und keinen Regen. Um halb acht gibt es Frühstück bevor es um halb neun per Bus weitergeht nach Labiau. Heute steht eine geführte Rundfahrt durch den Kreis Elchniederung an. Etwa eine halbe Stunde nach der Abfahrt steigt der erste Teil unserer Reisegruppe auf ein Boot und unternimmt eine Rundfahrt ab Labiau über die Deime bis Rautersdorf. Mein Vater und ich fahren weiter mit dem Bus über die Adlerbrücke Richtung Groß Baum, Tilsit, Heinrichswalde, Kuckerneese, Karkeln, Inse, Rautersdorf, nachdem man uns in Labiau das Große Moosbruch – dort wird Torf abgebaut - gezeigt hat. Die Fahrt führt durch Laukischken (das liegt neben Gertlauken), wo Ännchen von Tharau bis zu Ihrem Tode im Jahre 1689 lebte und wir sehen wieder einige dieser unzähligen prächtigen Baumalleen. Unterwegs sehen wir zufällig einen unserer Landsleute aus dem Bus, der sich für diesen Tag ein Fahrrad geliehen hat, um die schöne Umgebung zum wiederholten Male zu genießen. Fröhlich winkt er uns zu. Die alte Kirche von Groß Baum aus dem Ende des 14. Jahrhunderts steht noch relativ gut da. Wir durchfahren Melauken/Liebenfelde und sind ca. 9 km vor Heinrichswalde als wir das Kloster Heilige Elisabeth sehen. Um 10 Uhr sind wir in Heinrichswalde auf der Friedrichstraße. Die Stadt wurde 1818 Kreissitz und ist mit ca. 3000 Einwohnern eine der größeren Städte im heutigen Kaliningrader „Oblast“. Wir sehen, dass die Kirche von Neukirch leider stark verfällt. Übrig ist nur noch ein Turm ohne Dach. Wir kommen an einem russischen Friedhof vorbei und erreichen um kurz nach 10 Uhr morgens die Sköpener Brücke, die über den Gilgestrom reicht und fahren in das Sperrgebiet hinein. Wir kommen in Kuckerneese/Kaukehmen an und müssen feststellen, dass die Kirche sehr verfällt und zudem auch noch deren Eingang zugemauert wurde. Wir sind davon sehr enttäuscht. An einem Haus im Ort können wir noch sehr gut die deutsche Aufschrift einer ehemals deutschen „Sarg-, Bau- u. Möbel-Tischlerei Franz Bansemehr“ (?) (siehe Foto) erkennen und der halbe Bus zückt seine Kameras, um diese letzten Spuren festzuhalten. Die Schrift ist bereits von weitem wie ein Mahnmal erkennbar. Es erfolgt die Weiterfahrt nach Karkeln über Spucken und Herdenau. In Herdenau sieht man nur noch wenige Mauerreste der Kirche. Man muß schon ganz genau danach suchen. Der Bus fährt durch Tramischen nach Karkeln, einem alten urigen Fischerort, der auch „das Kurische Venedig Ostpreussens“ genannt wurde. Dort lagen damals unzählige Kurenkähne am Karkelstrom an. Ein Landsmann aus unserem Bus, dessen Familie aus Karkeln stammt, findet sein Elternhaus und die darin lebende alte Frau läd ihn für den nächsten Tag zum Kaffee ein. Überglücklich kommt er wieder in den Bus zurück. Das passt, denn morgen ist ja unser aller großer Tag der Taxen! Wir fahren gezielt weiter zum Jagdschloß Pait, dem ehemaligen Göring-Quartier und stellen fest, dass es wohl eher einem Herrenhaus gleicht als einem Schloß. Leider ist auch dieses sehr verfallen aber es wird etwas getan und man möchte einmal ein Museum daraus machen. Es gibt hier wirklich viel zu tun… Einer der Wachleute des Jagshauses lässt uns kurz darin rumstöbern und zieht seine Hunde zurück. Unterwegs zum Jagdschloß kommen wir durch den Ort Kleinheidenstein (Kleinkrauleiden) und den Ort Inse. Und wieder erwartet uns ein Highlight der Reise: Wir sehen eine Elchkuh!!! Dank des geschulten Jagd-Auges eines Mitreisenden entdecken wir mitten in einer Waldschneise eine neugierige Elchkuh, die unseren orangen Bus längere Zeit mustert und uns allen als Fotomotiv dient. Der Bus wäre beinahe zur Seite gekippt weil plötzlich alle Mann nach links rannten. Völlig aufgeregt von dem schönen Tier fahren wir weiter und stoppen in Inse, wo einer unserer Fahrgäste von Einheimischen spontan eine Handvoll getrocknete Fische geschenkt bekommt, die er irgendwie im Bus unterbringen muß. Hoffentlich macht sich kein unangenehmer Geruch während der Fahrt breit. Es traut sich jedenfalls niemand von uns, davon zu probieren. Es ist mittags ein Uhr und wir sind wieder am Anleger, um unsere Bootsfahrgäste von vorhin abzuholen. Die zweite Gruppe unseres Reisebusses besteigt das Boot; mein Vater und ich möchten aber lieber noch einmal die Dörferstrecke abfahren und es geht denselben Fahrweg von heute morgen wieder zurück mit allen Stopps. Um 17 Uhr nachmittags läßt uns unser Bus schließlich auf unseren eigenen Wunsch ca. 1 km vor dem Forsthaus in Groß Baum an einer Kreuzung aussteigen, denn wir wollen den Weg zu Fuß weitergehen. Wir haben den ganzen Tag so viel gesessen. Um 19 Uhr gibt es Abendessen mit erneuter anschließender Besprechung des morgigen Taxitages. Wir kontrollieren noch mal alle unsere Visa in den Pässen, da einige ja ein Zweifach-Visa benötigen, wie wir auch. Wir fallen gegen kurz vor neun abends ins Bett und uns gehen tausend Dinge durch den Kopf, wenn wir an morgen denken. Meinen Vater habe ich schon ziemlich genervt mit meinen Bedenken wegen morgen. Was ist, wenn das Taxi viel zu spät kommt, um uns abzuholen? Was ist, wenn wir nicht über die Grenzen kommen? Was ist, wenn die Zeit nicht für beide Orte bis abends ausreicht? Vielleicht finden wir was gar nicht…..?

 

Dienstag, den 10. Juli 2007:

 

6 Uhr morgens: Der Wecker klingelt. Doch diesmal klingelt er anders, denn es ist soweit! Wir, mein Vater Siegmar Gill und ich, Manuela Bodengesser, geb. Gill, besuchen die Heimatortemeiner Großeltern und z. T. deren Eltern! Heute ist der Tag, auf den wir über ein Jahr lang hingefiebert haben. Um 7 Uhr gibt es Frühstück und alle bangen, ob ihr bestelltes Taxi pünktlich vor dem Forsthaus in Groß Baum sein wird. Acht Taxen sind von unseren Reiseleitern bestellt. Ein Teil davon auch für einen Abstecher nach Litauen, wo auch wir zuerst hinwollen. Unser Taxi ist gegen 8 Uhr tatsächlich da und Iwan, unser Fahrer, stellt sich uns auch gleich vor. Wir werden mit ihm ganze 12 Stunden unterwegs sein, wie sich am Abend herausstellen wird. Wir fahren von Groß Baum nach Tilsit, wo wir über die Luisenbrücke über die dortige Grenze zu Litauen müssen, um nach Pogegen, dem Geburtsortmeiner Oma Traute Emma Gill, geb. Göritz, zu kommen. Mein Vater und ich verstehen das System nicht ganz, mit dem unser Fahrer vorgeht, um sich letztendlich dann doch in einer langen Reihe vor der Grenze anzustellen aber man versteht so vieles in dieser Gegend nicht und muss es einfach so hinnehmen. Iwan dreht unendlich erscheinende Ehrenrunden und wir landen immer wieder auf demselben Parkplatz, wo wir vorher auch schon ein paar Mal angestanden haben. Erst nach einiger Zeit, die meinem Vater und mir unendlich lange vorkommt, stehen wir nun endlich unter dem Blechdach der Grenzabfertigung – das ganze nicht ohne Bestechungsgeld - als ein mit Baumaschinen beladener LKW neben uns hält. Es gibt einen donnernden Krach und wir sehen nur noch, wie der Arm der aufgeladenen Baumaschine oben gegen das Blechdach der Grenzabfertigung knallt, so dass für einen Moment alle denken, die Grenze stürzt über uns zusammen. Sogar die Kontrolleure kommen aus ihren Häuschen gestürmt. Es ist aber gutgegangen. Unsere Nerven sind zum Zerspringen angespannt bei dem Gedanken an das Bevorstehende in Litauen. Dann haben wir es auch geschafft und fahren den Rest der Luisenbrücke auf dem litauischen Teil wieder auf festem Boden. Allerdings steht der Gegenverkehr aus Litauen raus ziemlich egoistisch auf unserer Spur… Etwa nur 6 - 8 km hinter der Grenze erreichen wir auch recht schnell Pagegiai – das frühere Pogegen! Ich habe einen Kloß im Hals und bin sogleich wieder nah am Wasser gebaut. Als wir in den Ort hineinfahren, sehen wir auf der rechten Seite zwei ganz alte nebeneinanderstehende Häuser, ansonsten sieht der Ort überraschend gut aus. Den alten Kirchturm links, der nur noch alleinedasteht, finden wir auch und direktdahinter wird gerade eine neue Kirche gebaut. Zusammen mit Iwan, unserem Taxifahrer, betreten wir die Kirche und treffen dort auf eine alte, sehr nette Dame, die uns sogleich etwas über das Bauvorhaben Kirche berichtet. Iwan übersetzt für uns so gut es geht. Nach einem gemeinsamen Foto mit der alten Frau müssen wir aus Zeitgründen leider die Kirche auch wieder verlassen und sehen uns den in der Nähe angrenzenden Bahnhof von Pogegen an. An diesem Bahnhof muß mein Uropa gearbeitet haben. Er war u. a. bei der Deutschen Reichsbahn Pogegen. Wir sehen ganz neue glänzende Züge und einen komplett renoviertenBahnhof vor uns und sind überrascht. Iwan öffnet den Kofferraum und holt eine große Thermoskanne mit Kaffee, etliche dick (!) belegte Brote und Tomaten aus dem eigenen Garten für uns raus. Wir sind total überrascht und lassen es uns mit ihm schmecken. Dann fahren wir auf dem Weg zum Pogeger Friedhof noch an einer komplett renovierten Kirche auf der rechten Seite vorbei. Welche ist denn nun die evangelische und welche die katholische? Um zum Friedhof zu gelangen, überqueren wir die Schienen mit der neuen Ampelanlage und stellen enttäuscht fest, dass der Friedhof fast nur aus neuen Gräbern besteht. Nur wenige Namen auf den recht jungen Grabsteinen hören sich nach früher an. Wir durchkämmen die Grabreihen und ich finde schließlich eine schöne Stelle unter einem großen dicken Baum, um meine Kerze für meine Oma aufzustellen und ein Heimatgedicht nebst Blumenn niederzulegen. Mit Heimaterde von Pogegen fahren wir nun rasch zurück zur Grenze nach Russland. Wir wissen ja schließlich nicht, wie gut (oder schlecht) wir über die Grenze kommen, um nach Malomoshaiskoje – dem damaligen Altenkirch (vormals Budwethen) zu kommen, wo mein Opa Willi Gill mit seinen Brüdern und auch dessen Vater August Gill lebte. Wir kommen relativ gut über die Grenze Litauen – Russland und fahren geradewegs nach Altenkirch. Kurz vor Altenkirch halten wir an der Kreuzung inNeusiedel, da ich noch einen Auftrag zu erfüllen habe. Wenige Tage vor Beginn unserer Reise erhielt ich einen Brief von einer älteren Dame, die meinen Artikel in der letzten Ausgabe von „Land an der Memel“ gelesen hatte. Sie bat mich, wenn möglich, die Kreuzung Neusiedel in alle Richtungen zu fotografieren, da sie dort damals gewohnt hat. Dies taten wir dann auch; allerdings fanden wir keinen Stein mehr vor. Dann fahren wir weiter an dem OrtsschildMalomoshaiskoje vorbei durch eine Baumallee über eine Straße voller Pfützen. Wir sehen keine Menschenseele sondern nur zwei kleine Katzen, die uns in einigem Abstand entgegengelaufen kommen. Irgendwie bekommt man gleich das beklemmende Gefühl, man nähere sich einem ausgestorbenen Ort. In Altenkirch angekommen, es regnet leider mal wieder, kommt mir sogleich die Bahnhofstraße bekannt vor von vielen Fotos und Erzählungen. Sie wirkt allerdings viel breiter. Wir haben eine Ortsskizze dabei und ein Farbfoto vom Haus meines Opas und Uropas. Wir müssen auch gar nicht lange suchen, denn plötzlich steht unser Taxi genau vor dem Haus von August Gill und später auch Willi Gill in der Bahnhofstr. 5. Ein unbeschreibliches Gefühl! Sogleich springt Iwan aus dem Auto und läuft auf das Grundstück und verschwindet hinter dem Haus, dessen Eingang vom hinteren Garten aus ist. Wir erregen regelrecht Aufsehen, denn aus dem Haus gegenüber - ehemals Haus Bauunternehmer Schmitt - kommt eine junge Frau an die Straße und beobachtet uns. Iwan kommt kurze Zeit später zurück und wir sehen kurz ein kleines Fenster am Giebel, das sich sogleich wieder schließt. Wir können tatsächlich ins Haus hineingehen! Es wohnen zwei Jungs dort, deren Eltern gerade bei der Arbeit sind und wir haben den Eindruck, ihnen ist es völlig egal, ob wir uns nun im Haus umsehen oder nicht. Wir sind zutiefst geschockt von dem was wir da sehen. Überall Dreck, Geruch, Katzen, Hunde, Unordnung, schmutziges Geschirr… Wir dürfen auch in die 1. Etage und man zeigt uns dort auch rechts den Aufgang zum Speicher und – wieder unten - links neben der Haustür den Abgang zum Keller. Uns fallen zwei ganz alte Öfen auf, die mit Sicherheit noch aus der Zeit meiner Großeltern stammen. Sie sind in die Zimmerecken eingebaut und wir wissen nicht, ob sie noch als solche benutzt werden. Bis jetzt ärgern wir uns noch, dass wir nicht wenigstens von einem der Öfen ein Foto gemacht haben. Nach diesem unerwarteten Erlebnis ist unser Taxifahrer ebenfalls erschüttert über den Zustand des Hauses und verspricht uns noch eine Überraschung. Wir fahren weiter zur Kirche oder besser gesagt zu dem, was von ihr noch übriggeblieben ist. Iwan sagt zu uns, er müsse noch etwas berufliches erledigen und käme in 10 Minuten wieder und weg war er mit Taxi und unseren Rucksäcken. So ganz wohl ist uns erst nicht dabei. Wir sehen uns die Kirchenruine näher an. Es stehen nur noch die Außenmauern und über dem Eingang vom Feld aus thront ein dickes Storchennest. Im Innern der Kirche finden wir einen regelrechtenUrwald vor und jede Menge Steine und Abfall. Es ist unglaublich und uns fehlen die Worte, obwohl wir davon wussten. Es ist aber ganz anders, von etwas zu hören oder es selbst zu sehen. Ich nehme zwei Stücke Mauerreste der Kirche als Andenken mit. Inzwischen ist Iwan wieder da und wir fahren weiter. Wir suchen noch den alten deutschen Friedhof mit dem Denkmal davor und haben wirklich große Mühe, ihn zu finden. Schließlich bringt uns eine alte Frau dorthin, die wir auf der Straße nach dem Weg gefragt haben. Wir nehmen sie in unserem Taxi bis dorthin mit. Der Gedenkstein steht noch aber dahinter ist alles vollkommen zugewuchert. Lediglich ein Stück Stein guckt mitten auf dem Friedhofsgelände aus dem Gestrüpp heraus und am Ende des ehemals deutschen Friedhofs liegen viele abgewetzte Steine wild umher, auf denen eigentlich gar nichts mehr zu erkennen ist. Bei einem Stein glauben wir, mehrere Buchstaben erkennen zu können, können uns aber keinen Reim darauf machen. Auch dort, am Gedenkstein, lege ich meine Kerze für meinen Opa nieder sowie das Heimatgedicht mit Blumen und wir fahren mit Heimaterde aus Altenkirch wieder los. Niemand sagt ein Wort. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Iwan, unser Taxifahrer, läßt es sich nicht nehmen und erinnert uns an seine Überraschung. Er hat organisiert, dass wir bei einer „ordentlichen“ Familie, wie er sagt, zum Essen eingeladen werden. Wir wissen nicht, was wir jetzt davon halten sollen, uns bleibt aber wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten, was auf uns zukommt. Die Rede war von Nina Sawtschenko, der Deutschlehrerin aus Malomoshaiskoje (Altenkirch).Sie wohnt zusammen mit ihrem Mann, einem Musiklehrer und ihrer Mutter – wir dürfen übrigens Babuschka  sagen - in Altenkirch in einem gepflegteren Haus. Wir werden sehr herzlich von den dreien aufgenommen und uns erwartet ein reich gedeckter Tisch mit selbstgemachten gefüllten Piroggen und vielen anderen selbstgemachten Leckereien. Als Babuschka mit ihrem lieben runzligen Gesicht, den Goldzähnen und dem Kopftuch und einem Teller selbstgemachter (wir kennen es als Plinsen) aus der Küche kommt, habe ich ein regelrechtes Déja-vu und meinte für einen Moment, meine andere Oma (aus dem Sudetenland vertrieben) vor mir zu sehen. Traditionell wird beim gemeinsamen Essen ein Trinkspruch nach dem anderen – natürlich mit Vodka – aufgesagt und alle müssen immer brav mit anstoßen. Nina fängt an, danach mein Vater und anschließend Iwan, der Taxifahrer. Ninas Mann sitzt immer verschmitzt lächelnd dabei, versteht aber leider kein Deutsch genau wie ihre Mutter. Wir sitzen eine ganze Weile gemütlich zusammen und Nina zeigt uns noch ganz stolz ihr Wohnzimmer und den Nebenraum, in dem ein Akkordeon auf dem Fußboden steht. Mein Vater erzählt ihr, dass er selbst damals mal Akkordeon gelernt hat. Dann zeigt sie uns das „Badezimmer mit Toilette“, das sie nachträglich und eigenhändig in ihr Haus eingebaut haben. Auf einmal beginne ich zu stutzen und frage Nina, ob sie die Deutschlehrerin von Altenkirch sei, die auch Herrn Siegfried Paleit kennt, den Kirchspielvertreter vonAltenkirch. Nina bejahte und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Nina Sawtschenko ist genau die Person, der ich vor Monaten einen deutschen Brief geschrieben habe, weil ich ihre Adresse im Februar auf dem Kirchspieltreffen in Osnabrück von Herrn Paleit bekommen habe. Leider ist jedoch der Brief an sie nie angekommen, daher kann sie mich nicht kennen. Sie gibt mir noch einmal ihre Adresse und ich werde einen neuen Versuch unternehmen, ihr zu schreiben. Zum Schluß machen wir vor dem türkisfarbenen Haus im Garten der Sawtschenkos noch ein paar Fotos und fahren – nicht ohne ein dickes Glas selbstgemachte Beerenmarmelade und eine Tüte frisch gesammelte Heidelbeeren AUS ALTENKIRCH (!) wieder von dannen. Auf der Rückfahrt von Malomoshaiskoje nach Groß Baum, wo wir unsere letzte Nacht verbringen werden, hängen wir völlig beeindruckt unseren Gedanken nach. Wir können gar nicht fassen, wie erfolgreich unser Tag war. Unsere Erwartungen wurden mehr als übertroffen. Als wir gegen 20 Uhr abends wieder zufrieden und etwas müde in Groß Baum eintreffen, haben wir doch glatt aus Zeitgründen unser Abendessen verpasst aber wir haben ja bei Nina gegessen. Ein großer Teil unserer Mitreisenden sitzt noch im Speiseraum und wir berichten bruchstückhaft begeistert von unseren Erlebnissen, doch wir stellen fest, dass die Meisten von ihren Exkursionen wohl eher enttäuscht sind. Wir fallen anschließend zufrieden in die Betten und lassen alles vor dem Einschlafen noch eine Weile Revue passieren.

 

Mittwoch, 11.7.2007:

 

Es ist fünf Uhr morgens und der Wecker meldet sich. Um sechs Uhr gibt es Frühstück und um 7 Uhr ist Abfahrt. Heute ist leider der Tag, an dem wir „unsere Heimat“ verlassen müssen.

Wir verlassen das nördliche Ostpreußen und fahren heute nach Masuren, den südlichen Teil, wo uns eine Masurenrundfahrt erwartet. Es geht Richtung Königsberg durch Laukischken (Ännchen von Tharau) neben Gerstlauken durch Schlicken/Schellicken und sehen die Eisenbahnstrecke Königsberg – Tilsit – Labiau sowie die Deime und den Großen Friedrichsgraben. In Labiau angekommen, sehen wir die Adlerbrücke, die Labiauer Burg, bei der bereits zwei Stockwerke fehlen und die Mittelschule Labiau.

Es geht vorbei in Bärwalde mit der Domäne Viehhof. Die alte Molkerei in Großlegitten ist nach wie vor in Betrieb und auch die Kirche steht noch. Unterwegs steigt Juri, ein Bernsteinkünstler, zu uns in den Bus und preist seinen Schmuck zum Verkauf an. Ich kaufe ein Stück Bernstein als Erinnerung an diese Reise. Die Kirche von Neuhausen wurde 1292 erbaut. Nun sind wir in Königsberg, von dem meine Oma damals auch geschwärmt hat, doch der einstige Glanz ist verloren. Die dortige frühere Brauerei Ostmark ist heute Brauerei Pit. Die Königsberger Burg wurde 1255 erbaut und Königsberg trug 700 Jahre lang den Namen bevor es 1946 in Kaliningrad umbenannt wurde. Das Tor der Burg ist vollständig renoviert. Wir sehen die Kaserne auf dem ehemaligen Herzogsacker und die Grollmann-Front mit Wallanlage sowie das Großgerder Tor und den Dohnaturm.

Unser Bus fährt vorbei an der Schnapsbrennerei Mentol und dem Zentralmarkt, der Feuerwehr Nord, dem Hansaplatz, dem Amts- und Landgericht sowie dem Polizeipräsidium. Es geht vorbei am Rundfunk und Staatsarchiv, der Oberpostdirektion, dem Theaterplatz, dem Finanzamt und der Sportarena am Walter-Simon-Platz, die es seit 1872  gibt. Den Tiergarten gibt es seit 1896. Unsere Reiseleiter zeigen uns das Gebäude der ehemaligen Nordstern-Versicherung, das Gymnasium, das Kino und den Luisenwallpark, der seit 1808 existiert. Wir sehen die Königin-Luise-Kirche und fahren durch das Villenviertel Amalienau aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts und überqueren die Eisenbahnschienen vorbei am Postscheckamt. Die Kirche von Steindamm, dem ältesten Stadtteil, ist leider nicht mehr vorhanden.

Tanja, unsere Reiseleiterin, zeigt uns vom Bus aus das Arbeitsamt, den Hügel Twangster (Neubauruine), den Königsberger Dom, wo wir dann auch einen Stopp für die Besichtigung der Gegend einlegen. Mein Vater und ich erkunden die nähere Umgebung des Königsberger Doms und entdecken ganz in der Nähe eine schwarze Brücke, an dessen Reling unzählige Schlösser von Hochzeitspaaren hängen als Symbol für die Ewigkeit. Gegen 10 Uhr sind wir dann wieder am Bus und setzen unsere Stadtrundfahrt fort vorbei an der Petereit AG, einer Schnapsbrennerei, weiter nach Preußisch-Eylau. Wir sehen das Friedländer Tor und die intakte Kirche in Rosenau und sind gegen halb elf wieder aus Königsberg rausgefahren.

Bei Wittenberg gibt es eine Abbiegung nach Tharau und wir sehen in weiter Ferne die alte Kirche. Wir fahren durch Mühlhausen (Martin Luther) und sehen die Ordenskirche (Luthers Tochter).

Dann steuert Andreas, unser Busfahrer, gegen halb elf eine Tankstelle an und wir stellen uns – sehr zur Verwunderung der dortigen Menschen – für ein Gruppenfoto auf. Zuvor hatten wir leider aufgrund unseres engen Zeitplans wirklich keine Gelegenheit und Zeit, ein Gruppenfoto von uns zu machen. Außerdem kann man ja hinterher die Tankstelle wegretuschieren und den Königsberger Dom hinsetzen, meint einer aus unserer Reisegruppe und alles lacht.

Auf der Fahrt zur polnischen Grenze werden wir uns dann leider von Tanja, unserer russischen Reiseführerin, verabschieden müssen. Wir fahren durch Natangen, Schmuditten und Preußisch Eylau (*1336) und sehen den Alten Speicher und das Kreiskrankenhaus sowie den Wasserturm. Unterwegs zeigt man uns den Obelisk, der an die Schlacht bei Preußisch-Eylau im Jahre 1807 erinnert. Es ist 11 Uhr und wir stehen vor der Grenze zu Polen. Tanja verlässt nun den Bus und – als beginne nun buchstäblich eine andere Zeit – wir stellen unsere Uhren wieder um 1 Stunde vor. Wieder habe ich diesen Kloß im Hals, weil ich jetzt schon der russischen Enklave hinterhertrauere. Wir haben dann auch um 11.30 Uhr – durch die Zeitumstellung kommt einem das schnell vor – die Grenze passiert, es hatte zuvor jedoch Probleme gegeben - auch mit meinem Vater und mir - weil die russischen Grenzer uns am Taxitag auf der Fahrt nach Pogegen die Migrationskarten abgenommen hatten und meinten, die bräuchten wir nicht mehr….. Von einem Grenzer werden wir schließlich doch durchgelassen und sitzen schon wieder im Bus als wir nochmals aussteigen und zur Grenze müssen. Einer anderen Grenzerin ist offensichtlich eine Laus über die Leber gelaufen und sie will uns nicht durchlassen. Also müssen wir nochmals eine neue Migrationskarte ausfüllen und abgeben, damit wir wieder in den Bus können… Es geht weiter. Wieder einmal regnet es ohne Ende, ganz so als wäre es ein trauriger Abschied vom russischen Teil des ehemaligen Ostpreußens an uns.

Wir passieren Breitenstein, Rößel, Rastenburg und sehen einen Teil der schönen Masurischen Seenplatte. Es ist inzwischen fast halb zwei nachmittags und wir sind beide deprimiert und wehmütig weil wir wieder aus dem nördlichen Ostpreußen raus sind. Ich hatte dort regelrecht das Gefühl, meinen Großeltern sehr nah zu sein. Ich könnte nur heulen und meinem Vater geht es ähnlich. Kurz vor zwei Uhr sind wir in Heiligelinde und hören ein wundervolles Orgelkonzert in der dortigen prunkvoll in Schuß gehaltenen Barockkirche. Das Besondere an dieser Kirchenorgel ist, dass sie mit beweglichen Figuren funktioniert. Während der ganzen Zeit muß ich an die Kirchenruine in Altenkirch denken und finde die Welt einfach nur noch ungerecht. Eine polnische Führerin steigt zu uns in den Bus und wir fahren weiter Richtung Rastenburg vorbei an der Wolfsschanze, dem Hitler-Hauptquartier. Es ist dicht umgeben vom Wald von Rastenburg. Rastenburg hieß bis 1249 Siedlung Rast und hatte eine kleine Burg, woraus der spätere Name entstanden war. Im Ort Kariswo gab es damals zu Hitler-Zeiten ein Lazarett. Wir durchfahren den Ort Part und Rosengarten und wieder sehen wir die schönen Masurischen Seen. Wir halten an der OKH-Bunkeranlage in Mauerwald am Mauersee und besichtigen das Heereshauptquartier, die Bunkeranlagen aus dem 2. Weltkrieg. Mit Taschenlampen ausgerüstet, erkunden wir die Bunkeranlagen und steigen auf einen Aussichtsturm, von dem aus man die oberirdischen Bunker nur schwer erkennen kann, da das Laub der Bäume sie immer noch gut tarnt. Um 17 Uhr fahren wir weiter nach  Steinort  mit seinem See und unsere polnische Führerin zeigt uns die wohl berühmteste Masurische Eiche und eine Masurische Eichenallee. Wir sehen das leider sehr verfallene Schloss von Schlöndorff und fahren gegen viertel vor sechs weiter und überqueren eine Brücke zu Fuß, da die Brücke nur 15 t trägt und der Bus ohne uns darüberfahren muß. Das ganze muß wohl ziemlich komisch aussehen. Rechts und links von uns sind die Masurischen Seen Dargeinensee und Kirseitensee. Wieder im Bus fahren wir gegen 18 Uhr weiter an der Wasserstrecke Lötzen nach Angerburg durch den Ort Harschen, der als kleines Storchendorf bekannt ist. Wir fahren durch den Borkeheidewald in dem Wisente leben sollen und erreichen gegen halb sieben schließlich Lötzen mit seiner Burg von 1612. Lötzen ist die ehemalige „Sommerhauptstadt Masurens“ und liegt besonders malerisch zwischen dem Dargainen See und dem Löwentin See. Die Kirche ist von 1827 (Karl Schinkel) und uns fällt die besondere Brücke auf, die zur Seite gedreht werden kann. Die Deutsche Ordensburg verfällt leider immer mehr und wir sehen einen Wasserkanal zwischen  zwei Masurischen Seen. Wir fahren weiter Richtung Nikolaiken über den Lötzener Kanal. In Nikolaiken wird unsere nächste Übernachtung sein. Die Seenstrecke zwischen Lötzen und Nikolaiken ist besonders schön und die Lindenalleen Masurens beeindrucken. Auf dem Luknaiter See gibt es Höckerschwäne. Um 19 Uhr sind wir dann endlich in Nikolaiken mit dem Nikolaikener See. Die Kirche wurde 1842 erbaut. Wir kommen im Hotel Golebiewski an und erleben einen absoluten Kulturschock, den es erstmal zu verdauen gilt nach der tagelangen ländlichen Idylle. Das Hotel ist riesengroß, hat mehrere Pools und einen eigenen Hubschrauberlandeplatz – in keinster Weise zu vergleichen mit dem urigen, einfachen und gemütlichen Forsthaus in Groß Baum in unserer geliebten russischen Enklave…. Das Buffet ist jedoch riesig und tröstet.

 

Donnerstag, den 12.07.2007:

 

Der Wecker klingelt um sieben Uhr, Frühstück gibt es um acht und um neun Uhr ist Busabfahrt nach Nikolaiken. Von dort aus unternehmen wir eine Bootsfahrt von zweieinhalb Stunden über die Masurischen Seen von Nikolaiken nach Niedersee. Danach fahren wir weiter nach Eckertsdorf mit Besuch des Philliponen-Klosters der Altgläubigen und einer Friedhofsbesichtigung mit den Nonnenkreuzen der Altgläubigen. Anschließend fahren wir zur Krutyna und unternehmen eine einstündige Stakenflussfahrt, die uns sehr gut gefällt, weil sie so entspannend ist. Dabei sehen wir sogar blaue Libellen und ein Entenpaar mit Jungen, die zwischen unseren Booten mitzuhalten versuchen. Während der ganzen Zeit über scheint die Sonne! Es erfolgt die Weiterfahrt zur Kaffeetafel mit Blaubeerkuchen im Forsthaus in Galkowo, wo wir zufällig auf eine alte Freundin und bekannte Journalistin der Gräfin Marion Dönhoff treffen, die uns spontan einen Vortrag über die von Dönhoffs hält. Danach fahren wir per Bus zurück nach Nikolaiken

 

Freitag, den 13.07.2007:

 

Wir hören den Wecker um 6 Uhr klingeln und fahren, nachdem wir um 7 Uhr gefrühstückt haben, gegen 8 Uhr los. Es geht per Bus von Nikolaiken nach Schneidemühl mit einigen Stopps unterwegs. In Allenstein treffen wir unsere polnische Reiseführerin und sie fährt mit uns nach Marienwerder über Dietrichswalde. In Marienwerder steht seit 1877 eine Kirche, die für ihre wiederholten Heiligenerscheinungen bekannt wurde. Unser Reisebus fährt durch das Weichseltal nach Graudenz, Kulm, Bromberg, Schneidemühl (dem polnischen Korridor) und wir sind gegen 8.30 Uhr schließlich in Sensburg und Bischofsburg. Während der Fahrt zeigen uns unser Reiseführer Peter Westphal und unser Busfahrer Andreas den Film „Ostpreussen-Reise 1937 Teil II“. Teil I hätte uns auch interessiert, aber dazu kamen wir dann leider irgendwie nicht mehr. Gegen halb zehn erreichen wir Allenstein, wo ca. eine halbe Stunde später unsere Stadtführung beginnt. Wir sehen die Philharmonie, die Herz-Jesu-Kirche aus dem 19. Jahrhundert, die Hindenburgschule, das Planetarium, den Regierungssitz d. Reg. Behörde, das Neue Rathaus, das Denkmal des Sieges, das Alte Theater Treudank, die Burg und das Hohe Tor. Ebenso die Garnisonskirche, die wir bei unseren Altstadt-Spaziergang gezeigt bekommen; dann – gegen 11 Uhr – kehren wir zum Bus zurück und überqueren bei unserer Weiterfahrt den Fluss Alle. Wir sehen unterwegs die Alte Feuerwehr.

Von halb 12 bis 12 Uhr halten wir in Dietrichswalde. Dort fließt heiliges Wasser, das sich einige aus unserer Gruppe in Flaschen abfüllen und wir staunen über die schöne Kirche und den prunkvollen, ganz neu gestalteten, Kreuzgang daneben. Mein Vater und ich „wandern“ ihn ab. Dann fahren wir weiter nach Marienwerder über Osterode, das gut erhalten wirkt und sehen gegen halb eins eine Kaserne. Um 13 Uhr sind wir in Deutsch-Eylau am Geserich See. Hier waren die Ordensritter und man kann auf die Domkirche sehen. Wir bestaunen die mittelalterliche Festungsarchitektur.

Gegen 14 Uhr fahren wir wieder durch das Weichseltal und kommen schließlich in Marienwerder an. Dort erleben wir spontan eine Führung durch die Kirche und man schließt uns extra verschlossene Türen auf. Um 15 Uhr ist Abfahrt. Wir fahren nach Graudenz und können die Reste von der Festungsanlage sehen und viele alte Häuser mit Einschüssen aus dem zweiten Weltkrieg. Unsere Weiterfahrt geht über den Weichseldamm weiter nach Kulm, das wenig zerstört ist. Kulm ist das Hauptzentrum für den Tuchhandel im Weichseltal. Wir sehen den Marktplatz mit Rathaus im Renaissance- und Barockstil und sind gegen halb fünf auf dem Weg Richtung Pila/Schneidemühl. Leider können wir nun doch nicht mehr nach Kulm, da wir zuvor einen sehr langen Stau hatten und die Zeit es nicht mehr zulässt, noch dorthin einen Abstecher zu machen. Gegen 17.40 Uhr fahren wir – nach einer

Pause von 30 Minuten für unseren Busfahrer – direkt weiter nach Schneidemühl (poln. Korridor). Wir fahren durch den Ort Bromberg und kommen gegen halb acht abends in Pila an.

 

Samstag, den 14.07.2007:

 

Leider geht es heute wieder nach Hause. Wir wären, wie glaube ich schon mehrfach zuvor erwähnt, gerne noch in der russischen Enklave geblieben. Alles was nach „unserem“ 10. Juli lt. Programm noch kam, haben wir einigermaßen entspannt in uns aufgenommen. 5.30 Uhr schmeißt uns unser Wecker aus dem Bett und früh um halb sieben frühstücken wir, da bereits gegen halb acht unser Bus gen Heimat fährt. Wir fahren Richtung Küstrin zum Polnischen Markt, auf den wir zuerst so gar keine Lust haben, und überqueren dabei gegen 10.15 Uhr die Warthe. Um halb elf erreichen wir den Polnischen Markt, wo man uns eine Stunde Aufenthalt gibt, bevor es endgültig gegen halb 12 über die Grenze nach Deutschland geht. Um 12 Uhr genau sind wir dann wieder in Deutschland und auf den Seelower-Höhen verrät uns Andreas, der Busfahrer, und Peter Westphal, unser Reiseleiter, dass wir ca. 2700 km bisher gefahren seien und bis Hannover werden es dann noch mal ca. 420 km sein. Das wäre dann insgesamt 3261 km Busfahrt plus 600 km Autofahrt und die 12 Stunden Taxifahrt vom 10.07…. uff eine ganze Menge! Nachdem wir gegen halb zwei einen Teil unserer „Passagiere“ verabschiedet haben, geht es weiter nach Hannover. Wir fahren dann noch ca. 3 Stunden bis nach Hause und mein Vater und ich sind am Nachmittag wieder bei unseren Lieben und haben viel zu berichten und zu be- und vor allem zu verarbeiten. Es war eine sehr schöne Reise, die wir auf jeden Fall empfehlen können und wir waren bestimmt nicht das letzte Mal in der „alten Heimat“ unserer Vorfahren. Wenn ich jetzt morgens die Marmelade aus Altenkirch esse, bin ich in Gedanken immer dort.

 

 

Anmerkung:

 

Diesen Reisebericht verfasste ich aufgrund Notizen, die ich während der Rundreise im Bus gemacht habe so gut es die Straßenverhältnisse zuließen. Eventuelle falsch geschriebene Orte oder unlogisch wirkende Zusammenhänge bitte ich deshalb zu entschuldigen.

 

Manuela Bodengesser, geb. Gill

 

 

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